Bei Kiezbringer werden alle Bestellungen mit dem Lastenrad ausgeliefert.
Johanna Riggers will mit ihrem Start-up Kiezbringer eine Alternative zu Lieferdiensten wie Gorillas oder Flink schaffen. Und alle Händler aus der Nachbarschaft unterstützen.
Lieferdienste haben durch Corona einen großen Boom erlebt. Für 2021 prognostiziert der HDE Handelsverband Deutschland ein Wachstum des Onlinehandels von 17 Prozent. Start-ups wie Gorillas oder Flink sind wegen Milliardenbewertungen, aber auch wegen Kritik an den Arbeitsbedingungen seit Monaten in den Schlagzeilen. Johanna Riggers will ganz bewusst einen anderen Weg gehen als die bekannten Konkurrenten. Bei dem von ihr gegründeten Start-up Kiezbringer stehen Nachhaltigkeit und soziale Faktoren im Fokus des unternehmerischen Handelns.
Riggers war in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen leitenden Marketing-Funktionen tätig und daher beruflich viel unterwegs. So erlebte sie viel Frust beim Onlineshopping. Gleichzeitig versuchte sie, so oft wie möglich auch bei den Händlern aus ihrer Nachbarschaft einzukaufen. Als schließlich einer ihrer Lieblingshändler um die Ecke schließen musste, machte es bei ihr Klick: leere Ladengeschäfte, volle Straßen mit Lieferfahrzeugen und Unmengen an Verpackungsmüll. So reifte in ihr die Idee für einen lokalen Lieferdienst in Hamburg.
Deshalb gründete sie im Mai 2020 die Kiezbringer Technologies GmbH und arbeitete in den folgenden zwölf Monaten intensiv an der Geschäftsidee. Dabei standen drei Fragen im Fokus: Was braucht die Nachbarschaft? Was brauchen die Kunden? Was braucht der Händler? Diese Fragen diskutierte sie mit Experten aus der Branche, aber auch im privaten Umfeld. Für Riggers ist es wichtig, nicht Teil des Problems von mehr Lieferverkehr in der Stadt zu werden. „Wir möchten zeigen, dass es auch anders geht“, sagt sie. Gemeinsam mit Founding Partner und CTO Julien Ambos entwickelte sie auch die technische Infrastruktur von Kiezbringer.
Sozial und
nachhaltig
Grundsätzlich sollen alle Händler aus der Nachbarschaft die Möglichkeit haben, mit Kiezbringer zusammenzuarbeiten. Die Plattform will auch die Vielfalt des Viertels abbilden. Die ersten Partner setzen ebenfalls auf Nachhaltigkeit. Die Kaffee Rösterei, einer der ersten Kiezbringer-Partner, setzt auf nachhaltige Verpackung und spendet einen Teil seiner Erlöse an soziale Institutionen. Riggers selbst will sogar 50 Prozent der erzielten Gewinne künftig in nachhaltige und soziale Projekte innerhalb des Unternehmens reinvestieren.
Seit Mitte Juli ist Kiezbringer für Kunden aus St. Pauli und angrenzenden Stadtteilen verfügbar – zunächst mit drei lokalen Partnern. Die Lieferung wird innerhalb von 120 Minuten garantiert, die Liefergebühr beträgt 2,90 Euro. Das zunächst überschaubare Sortiment ist Teil des Plans der Gründerin. „Die ersten acht Wochen sind für uns eine wichtige Testphase, um unser Angebot noch stärker zu schärfen und dann im Herbst richtig durchzustarten. Wachsen wir zu schnell, werden wir diesen Learnings immer hinterherlaufen“, erklärt Riggers. Gespräche mit weiteren Händlern seien bereits fortgeschritten. Das Angebot wird demnach in den kommenden Wochen sukzessive auf mehrere Tausend Produkte erhöht.
Fotos: Kiezbringer
zur Person Johanna Riggers
Nach dem Studium von Business und General Management stieg Johanna Riggers vor rund zehn Jahren in die Marketingwelt ein. Ab Oktober 2015 verantwortete sie beim Volkswagen Konzern als Senior Group Category Manager einen der weltweit größten Mediapitches. Knapp zwei Jahre später wechselte Riggers wieder zurück auf die Agenturseite. Als Commercial Director bei der Omnicom Media Group war sie unter anderem in den Bereichen Finanzen & Legal sowie im Operations Management tätig. Im Mai 2020 gründete Riggers schließlich die Kiezbringer Technologies GmbH.
Auf ihren bisherigen Stationen hat sie nach eigener Aussage immer wieder eins gelernt: Ein erfolgreiches Team braucht nicht die eine Expertise und die eine Persönlichkeit, sondern lebt von Diversität.
Ehrgeizige
Ziele
Trotz des überschaubaren Startangebots verfolgt Riggers mit Kiezbringer ehrgeizige Ziele und sucht für das bisher komplett eigenfinanzierte Start-up nun die passenden Investoren. „Wir wollen groß werden, haben aber auch gewisse Ansprüche, mit welchen Werten wir das Unternehmen führen wollen“, sagt sie. Nach und nach will die Gründerin mit ihrem Team das gesamte Hamburger City-Gebiet beliefern. Wenn alles nach Plan läuft, folgt 2022 bereits die Expansion in weitere deutsche Städte.