[Smart City]

Grüne Zustel­lung sieht überall anders aus

Von Tim-Oliver Frische

Für eine lebens­werte Stadt setzt Hermes auf Lasten­räder, E‑Transporter, E‑Lkw und Paketshops
Lastenrad und ein E‑Lkw am ­Hamburger ­Hermes ­Logis­tik­center; E‑Lkw fahren seit Herbst 2022. Foto: Hermes
Als „extrem dyna­misch“ beschreibt Florian Abel, Sustaina­bi­lity Officer bei Hermes Germany, das Thema Klima­schutz in der KEP-Branche. „Immer mehr Stake­holder wirken auf die Ausge­stal­tung der Klima­schutz­ak­ti­vi­täten von Unter­nehmen ein“, beob­achtet er. Das inklu­diere „immer ambi­tio­nier­tere Ziele und Maßnahmen sowie eine stetig stei­gende Trans­pa­renz im KEP-Bereich“. Nicht ohne Grund stehe beispiels­weise die Novel­lie­rung eines „sehr veral­teten Post­ge­setzes“ an, in die „ökolo­gi­sche Stan­dards aufge­nommen werden“ sollen, „was wir prin­zi­piell absolut begrüßen“. Über die EU kommt die Corpo­rate Sustaina­bi­lity Reporting Direc­tive, also eine Berichts­pflicht zum Thema Nach­hal­tig­keit, hinzu (DVZ 5, 1.2.2023, Seite 14).

Nicht wenig über­ra­schend ist der Klima­schutz bei Hermes Germany ein Unter­neh­mens­ziel und inte­graler Bestand­teil der Stra­tegie. „Unser aktu­eller Fokus liegt auf der emis­si­ons­freien Zustel­lung auf der letzten Meile“, sagt Abel und kündigt an: „Bis 2025 wollen wir die Innen­stadt­be­reiche der 80 größten deut­sche Städte in Deutsch­land mittels E‑Transporter und Lasten­räder belie­fern.“ Zusätz­lich seien alter­na­tive Antriebe für den schweren Verteiler- und Zubrin­ger­ver­kehr ein wich­tiges Thema. „Mit Blick darauf ist der Einsatz von E- und auch Wasserstoff-Lkw für uns sehr inter­es­sant, weshalb wir hier gemeinsam mit den Herstel­lern die Erpro­bung entspre­chender Modelle voran­treiben“, führt Abel weiter aus. Weitere Alter­na­tiven seien der Trans­port mit der Bahn oder auch per Lang-Lkw, der allein durch Kapa­zi­täts­stei­ge­rungen Verkehrs­wege und Umwelt schone. „Beide Lösungen pilo­tieren wir eben­falls.“ Ener­gie­ef­fi­zi­ente Stand­orte, die Elek­tro­mo­bi­lität in Form von Lade­infra­struktur berück­sich­tigen, seien ein weiterer wich­tiger Punkt, mit dem sich Hermes beschäf­tige, so der Experte.

Mobi­li­tätsmix in Berlin

Die Tochter der Otto Group setzt bei der emis­si­ons­freien Zustel­lung auf bedarfs­ori­en­tierte Konzepte, die einen Mobi­li­tätsmix verfolgen. „Denn eins ist klar“, sagt Abel, „eine One-size-fits-all-Lösung für eine grüne Zustel­lung gibt es nicht.“

Beispiel Berlin: In der Haupt­stadt setzt der Dienst­leister verstärkt auf Lasten­räder, „da sie nicht nur CO2 vermeiden, sondern auch eine Antwort auf inner­städ­ti­sche Heraus­for­de­rungen wie den dichten Auto­ver­kehr, den Mangel an Halte­flä­chen oder Einfuhr­be­schrän­kungen darstellen und so produktiv bei der Paket­zu­stel­lung sind“, beschreibt Abel. Die 28 Lasten­räder starten von drei Mikro­de­pots im Zustell­ge­biet. Ergänzt wird die Flotte um 14 E‑Transporter, die vornehm­lich größere Sendungen zustellen. „Es klappt nur im Zusam­men­spiel“, betont Abel. Auf dieses Weise deckt Hermes eine Fläche von 40 Quadrat­ki­lo­me­tern ab, auf der mehr als 300.000 Berliner leben – ohne den lokalen Ausstoß von ­CO2-Emis­sionen.

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Kommunen haben unter­schied­liche Vorstel­lungen von einer lebens­werten Stadt.

Florian Abel, Sustaina­bi­lity Officer, Hermes Germany

Berlin: Eines von drei zentral gele­genen Mikro­de­pots in der Haupt­stadt, von denen aus Lasten­räder und E‑Transporter direkt ins Zustell­ge­biet starten können. Fotos: Hermes

Lastenrad unter­wegs im Zentrum der Haupt­stadt. Die Fahr­zeuge sind fester ­Bestand­teil der Hermes-Mobilitätsstrategie.
Foto: Hermes

Lade­parks in Hamburg

In Hamburg geht die Otto-Tochter einen Schritt weiter. Das Unter­nehmen will im gesamten Stadt­ge­biet bis Ende 2023 emis­si­ons­frei zustellen. Dies soll haupt­säch­lich über mehr als 200 E‑Transporter möglich werden. „Da bisher keine ausrei­chenden Lade­mög­lich­keiten bestehen, bauen wir aktuell einen eigenen Lade­park mit 130 Lade­punkten in Ergän­zung zur Lade­infra­struktur an unserem innen­stadt­nahen Logis­tik­center in Hamburg“, gewährt Abel einen Schul­ter­blick. Über das Gesamt­kon­zept, das auch ein Mikro­depot in Altona und mehr als 300 Paket­shops in der Hanse­stadt beinhaltet, die eben­falls elek­trisch ange­fahren werden, „wollen wir in allen Post­leit­zah­len­ge­bieten in Hamburg lokal emis­si­ons­frei zustellen“.

Chancen für den Rollout einer emis­si­ons­freien Zustel­lung sieht Abel beson­ders in der zeit­li­chen Dimen­sion: „Nicht irgend­wann in der Zukunft, sondern bereits heute trägt die KEP-Branche mit Lösungen zu der Trans­for­ma­tion von immer mehr Städten bei und kann so Partner der Kommunen sein, damit diese ihre Klima­schutz­ziele errei­chen.“ Geschwin­dig­keit sei dabei beson­ders wichtig, „da sich die Emis­si­ons­re­duk­tion im Verkehrs­sektor weiterhin schwierig gestalten und die dahin­ge­henden Ziele für 2022 verfehlt wurden“. Die gemein­same Nutzung von Lade­parks sei eine weitere Chance für mehr Klima­schutz. „Hier können Kommunen durch eigene Lade­parks oder beispiels­weise das Reser­vieren von Flächen für diese Zwecke einen entschei­denden Beitrag leisten“, ist Abel überzeugt.

Darüber hinaus könnten im Bereich der Flächen­nut­zung multi­di­men­sio­nale Konzepte eine inter­es­sante Möglich­keit sein. Abel: „In Hamburg Altona sind wir zum Beispiel an einem Quar­tiershub betei­ligt. Hierbei handelt es sich um ein Mikro­depot für Logis­tiker, Suppen­küche und soziale Bera­tungs­stelle zugleich. Durch entspre­chende Vernet­zung der Stake­holder sind wunder­bare Lösungen möglich, die weit über den Klima­schutz hinaus­gehen.“ Und: Die emis­si­ons­freie Zustel­lung ermög­liche nicht nur die Einspa­rung von CO2, sondern auch von Fein­staub und Lärm. „So wird die Stadt insge­samt lebenswerter.“

Logis­tiker nicht auf Wunschliste

Eine große Heraus­for­de­rung sind für Hermes derweil die Kosten­un­ter­schiede zwischen der emis­si­ons­freien Zustel­lung und der Zustel­lung mit konven­tio­nell ange­trie­benen Fahr­zeugen. Hier spielen neben den Fahr­zeug­kosten die Lade­infrastruktur und Flächen eine wich­tige Rolle. „Ein Punkt ist dabei die Verfüg­bar­keit von geeig­neten Flächen mit geeig­neten Netz­an­schlüssen für Logis­tiker in Gewer­be­ge­bieten bezie­hungs­weise die Erschlie­ßung von Lade­parks, um dort die Flotte zu elek­tri­fi­zieren“, erklärt Abel. „Die Konkur­renz um Flächen ist groß und Logis­tiker stehen nicht immer ganz oben auf der Wunsch­liste der Kommunen“, stellt er fest.

Und auch der regu­la­to­ri­sche Rahmen muss laut Abel „weiter ange­passt werden“. Beispiels­weise bräuchten Lasten­räder Sonder­ge­neh­mi­gungen, da sie „teil­weise eigent­lich nicht in Innen­stadt­be­rei­chen fahren dürfen“. Proble­ma­tisch sei in diesem Zusam­men­hang auch, „dass viele Kommunen unter einer lebens­werten Stadt ganz unter­schied­liche Dinge verstehen, so dass wir unsere Lösungen immer wieder neu anpassen müssen. Dies erhöht für uns den Aufwand, da wir einmal konzi­pierte Lösungen nicht immer wieder anwenden, sondern stets adap­tieren müssen“, merkt Abel an.

Nachhaltigkeits­reporting

Im April 2021 hat die Euro­päi­sche Kommis­sion eine Corpo­rate Sustaina­bi­lity Reporting Direc­tive (CSRD) veröf­fent­licht, der die bisher geltende Nonfi­nan­cial Reporting Direc­tive (NFRD) ersetzt. Der Euro­päi­sche Rat und das Euro­päi­sche Parla­ment haben 2022 eine verzö­gerte Einfüh­rung durch­ge­setzt und setzen ein Stufen­mo­dell um:

  • am 1. Januar 2024 für Unter­nehmen, die bereits der NFRD unter­liegen (erste Bericht­erstat­tung 2025);
  • am 1. Januar 2025 für große Unter­nehmen, die derzeit nicht der NFRD unter­liegen (erster Bericht 2026);
  • am 1. Januar 2026 für börsen­no­tierte KMU sowie für kleine und nicht komplexe Kredit­in­sti­tute und firmen­ei­gene Versi­che­rungs­un­ter­nehmen (erster Bericht 2027) mit einer Opt-out-Möglichkeit bis 2028.

Hermes muss 2026 berichten. Als Teil der Otto Group verpflichtet sich das Unter­nehmen zudem zu der Science-based Targets (SBT) Initia­tive, heißt, es konzen­triert sich auf die Menge an Emis­sionen, die redu­ziert werden muss, um die Ziele des Pariser Abkom­mens – die Begren­zung der globalen Erwär­mung auf 1,5 Grad Celsius – zu erreichen.