Von Michael Pfefferle
Die nächste Krise kommt eher nicht in der Gestalt des Monsters Godzilla, das als Symbol der Zerstörung in bislang zahlreichen Filmen die Hauptrolle spielte. Aber als Folge des demografischen Wandels zeichnet sie sich bereits ab. Zur Bewältigung brauchen Kommunen klare (digitale) Strukturen.
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Eine robuste Stadt stärkt die Widerstandsfähigkeit ihrer Gemeinschaft und ihrer Infrastruktur, um auf verschiedene Belastungen vorbereitet zu sein. Dies können Naturkatastrophen, wirtschaftliche Abschwünge, soziale Unruhen oder andere schwerwiegende Ereignisse bis zu militärischen Konflikten sein. Eine solche Stadt erkennt die Notwendigkeit, sich auf Risiken vorzubereiten, und ergreift Maßnahmen, um die Auswirkungen solcher Ereignisse zu minimieren.
Tatsächlich scheint es in den vergangenen Jahren an Krisen auch in Deutschland nicht zu mangeln: Flüchtlingskrisen, die Corona-Pandemie, der Klimawandel, Flutkatastrophen und Hackerangriffe waren Stresstests für Kommunen. Mit anderen Worten: Krisen sind mittlerweile zum Dauerzustand in den Kommunen geworden.
Mobilität und Logistik im Fokus
Resilienz ist ohne Digitalisierung nicht denkbar, denn urbane Resilienz und digitale Städte gehen Hand in Hand. Die Bedeutung der Digitalisierung für die drei wesentlichen Prinzipien der Diversität, Modularität und Feedback-Loops wurde vor kurzem auch von der Bundesregierung in einem neuen Leitfaden benannt. Besonders für den Mobilitäts- und Logistiksektor der Stadt ist das von Relevanz.
Resiliente Mobilitätsangebote sind das Herz, resiliente Lieferketten der Puls der Stadt. Eine Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten, Lieferdienste und alternative Zustellungsarten sind wichtige Bausteine für eine widerstandsfähige und vielfältige Lieferkette. Ebenso spielen Depots und Mikrodepots im städtischen und ländlichen Raum eine entscheidende Rolle. Ihre Diversität und Modularität erwies sich insbesondere während der Corona-Krise als das Rückgrat, das es ermöglichte, schnell auf die veränderte Nachfrage im Paketversand zu reagieren.
Die Einrichtung von „Click & Collect“ ermöglichte den Einzelhändlern vor Ort, ihr Überleben zu sichern, indem sie weiterhin Waren zu den Verbrauchern bringen konnten. Langfristig verbesserte die Etablierung von Onlinemarktplätzen die (Nah-)Versorgung. Zudem ermöglichen Echtzeitdaten zu Straßensperrungen aufgrund von Unfällen oder extremen Wetterbedingungen, alternative Routen zu nutzen oder flexibel den Zeitpunkt der Lieferung anzupassen. Diese Daten sind äußerst wertvoll, um den reibungslosen Ablauf der Lieferungen zu gewährleisten und Engpässe zu vermeiden.
Digitale Feedback-Loops als Basis
Ohne den Einsatz von Daten sind sowohl die Planung als auch der Betrieb von Mobilitätsangeboten und städtischen Lieferketten heutzutage undenkbar. Digitale Feedback-Loops, also kontinuierliche Datenerfassung, ‑zusammenführung und ‑verarbeitung, sollten daher die Grundlage jeder strategischen Entscheidung bilden. Bereits im Prozess der Stadt- oder Quartiersplanung, dabei geht es um Verkehrsströme, Straßen, Neubauviertel oder Haltestellen, müssen die Bedürfnisse der Logistik berücksichtigt werden, um Ladezonen oder Mikrodepots sinnvoll zu gestalten.
Ein weiterer Schritt zur Resilienz sind modulare, also abgrenzbare IT-Systeme, die über standardisierte Schnittstellen (APIs) einen Datenaustausch zwischen Unternehmen und Stadt ermöglichen. Die Einbindung von Echtzeitdaten des Logistik- und Mobilitätssystems in den urbanen digitalen Zwilling lassen somit datenbasierende Entscheidungen durch ein Echtzeitmonitoring zu. Auch wenn Logistikunternehmen und Städte unterschiedliche Cloudanbieter verwenden, Standards und Schnittstellen ermöglichen den sicheren Datenaustausch.
In der Realität verfügen Städte in Deutschland jedoch noch immer über zu wenige Daten. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Nur wer in Krisenzeiten über Wissen und Informationen zu Mobilität und Lieferketten verfügt, kann dann auftretende Herausforderungen meistern. Sowohl für die Logistik als auch für die Städte gilt: Wer über Daten verfügt und diese kompetent nutzen kann, verfügt über ein hohes Maß an Resilienz.
Agile Kommunen gefragt
Dabei ist die Debatte über Resilienz und Krisenfestigkeit von Kommunen nicht neu. Es war schon immer die Aufgabe der Kommunen, gesellschaftlichen Krisen und Schocks vor Ort zu begegnen und diese zu lösen. Das sieht das bewährte Subsidiaritätsprinzip so vor. Die Diskussion ist daher nur ein weiterer Baustein der seit 30 Jahren anhaltenden Debatte über die Modernisierung von Staat und Kommunen. Bei der Debatte um Krisen, Krisenvorsorge und Anpassungsfähigkeit braucht es endlich einen agilen und digitalen Staat, damit sich die Frage der Handlungsfähigkeit nicht bei jeder Krise von neuem stellt.
Nächste Krise kommt
Die nächste Krise zeichnet sich bereits ab: Der demografische Wandel wird dazu führen, dass bis 2030 mehr als ein Drittel der Bediensteten im öffentlichen Dienst in Pension oder den Ruhestand geht. Angesichts des Fachkräftemangels werden Kommunen ihre Aufgaben nur erbringen können, wenn sie diese digital und automatisiert wahrnehmen. Und das wäre bei vielen staatlichen Aufgaben längst möglich, weil sie klaren Strukturen und Vorgaben folgen. Dass es moderner und agiler Kommunen bedarf, sollte daher nicht nur zu Krisenzeiten auf der Agenda stehen.
Damit es bei der Resilienz also nicht nur bei einem Modebegriff bleibt, müssen Politik und Unternehmen nun die richtigen Weichen stellen. Digitalisierung von Behörden ist keine Kür, sondern die Pflicht der Politik. (tof)