Von Tim-Oliver Frische
© Logivest Gruppe/DVZ
Logistik- und Spezialimmobilien wie Rechenzentren könnten sich zu Energieparks für Kommunen entwickeln und so einen aktiven Part leisten, „schnelle Erfolge bei der Energiewende zu erzielen und Klimaziele zu erreichen“, ist Christoph Meineke überzeugt. Der 44-Jährige ist noch Vorstandsmitglied des deutsch-österreichischen Softwareherstellers Nexyo AG in Freiburg, Business Angel – und Geschäftsführer in Teilzeit des Vereins Kommunen in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg. Der Aufsichtsrat der gleichnamigen GmbH hat Meineke am 6. November zum neuen Geschäftsführer bestellt. Meineke tritt zum 1. Februar 2024 die Nachfolge von Silvia Nieber an, die aus privaten Gründen vorzeitig ausscheidet.
„Kommunen und Logistik sind eine ‚Liebe auf den zweiten Blick‘“, sagt Meineke als ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen am Deister in der Region Hannover. Im Laufe der Zeit entwickelten sich öffentliche Diskussionen rund um großflächige Ansiedlungen weg von den Bedenken hin zu den Vorteilen für Standorte. Bei errichteten und mittlerweile etablierten Ansiedlungen drehe sich die Debatte oft schnell und deutlich. Waren es anfangs Faktoren wie Lärm, Verkehr und Landschaftsbild, die mit Sorge betrachtet wurden, rücken nach der Inbetriebnahme die Aspekte Arbeitsplätze, Steuereinnahmen sowie Versorgung in den Mittelpunkt. „Die Meinungswende zugunsten der Logistik wird vor allem dann ausgelöst, wenn es gelingt, diesen Wirtschaftszweig als aktiven Partner der örtlichen Energiewende ins Boot zu holen“, sagt der Parteilose.
Dialogbereite Partner wichtig
In Zeiten der „Multikrise“ werde die Bedeutung eines soliden, dialogbereiten Partners deutlich und geschätzt. „Die Logistik erweist sich nicht nur als krisenfester Anker der lokalen und regionalen Wirtschaftsleistung. Die Bedeutung für kommunale Aufgaben wird immer deutlicher“, führt der studierte Volkswirt aus. Dies betrifft nicht nur den Kern der logistischen Aufgabe, der Versorgungsleistungen. „In puncto energiewirtschaftlicher Zusammenarbeit zeigt sich, dass sowohl bei Erstansiedlungen als auch im Bestand intensiv gearbeitet wird, um gemeinsam Ziele zu erreichen“, sagt Meineke. Während bei Neuansiedlungen oftmals auf Landes- und Kommunalebene bereits Anforderungen auf Basis von Gesetzen, Verordnungen oder örtlichen Satzungen für eine Quote an eigenerzeugter erneuerbarer Energie bestünden, spiele die Musik im Bestand bei der Energieerzeugung, die über den Verbrauch des konkreten Objekts hinausgehe. Für kommunale Energie- und Klimabilanzen seien solche Erzeugungsflächen wichtig, um schnelle Erfolge zu erzielen und Klimaziele zu erreichen. „Besonders beachtet werden müssen hier auch die Leitungskapazitäten, um permanent Stabilität im Megawattbereich zu gewährleisten, insbesondere unter solaren Schwankungen“, so Meineke.
Auf das Jahr gerechnet konnten viele Logistikimmobilien einen soliden einstelligen Gigawatt-Ertrag für die kommunalen Energiebilanzen leisten. In der Frage der Leitungsnetze und ihrer Führung, Überschusseinspeisung und Versorgungssicherheit eröffneten sich neue und wichtige Potenziale in der Zusammenarbeit mit kommunalen Stadtwerken oder regionalen Energiewirtschaftsunternehmen. „Zu den weiteren Planungsschritten können dann auch die Anbindungen von Windparks oder anderen grünen Energieerzeugungsanlagen zählen“, listet Meineke auf.
Für Kuno Neumeier ist die Vision eines kommunalen Energieparks der logische Schritt zu den langfristigen Zielen Klimapositivität und Energieautarkie. Beides sei längst keine Zukunftsmusik mehr: Immer mehr Unternehmen strebten ein größtmögliches Maß an Unabhängigkeit durch regenerative Energien an. „Diese positiven Signale müssen weiter und größer gedacht werden“, fordert der CEO der Logivest Gruppe. Neumeier rechnet vor: „Allein auf den rund 30 Millionen Quadratmetern photovoltaik-geeigneter Dachflächen, die in den vergangenen zehn Jahren auf Logistikimmobilien entstanden sind, wäre bereits eine Stromproduktion von bis zu 2,5 Terawattstunden (TWh) pro Jahr möglich, die 800.000 Haushalte mit grüner Energie versorgen könnten.“ Allerdings müssten noch zahlreiche Hürden genommen werden, bis es soweit ist. Die erste bestehe darin, dass die Dachflächen entsprechend ausgebaut und die Anlagen anschließend installiert und zertifiziert werden müssten. „Leider ist der Netzausbau nicht in allen Regionen so weit fortgeschritten, dass der lokal erzeugte Strom auch tatsächlich ins Netz eingespeist werden kann“, stellt Neumeier fest. Zudem fehle es an einheitlichen Bedingungen für den Netzanschluss. Behörden und Netzbetreiber seien nicht immer auf solche Vorhaben vorbereitet. „Beinahe ein Drittel aller deutschen Photovoltaikvorhaben wird somit deutlich verzögert“, stellt er fest.
Kein Mangel an Nachfrage
„Der Bedarf an zukunftsfähigen Logistikimmobilien und Rechenzentren ist enorm“, sagt Tobias Kassner, Head of Research beim Investor und Entwickler Garbe. Dabei wandele sich die Logistikimmobilie zur Infrastrukturimmobilie und fungiere als dezentraler Energieproduzent. Sie sei Teil der dringend notwendigen Energiewende in Deutschland. Und das Potenzial für nachhaltig erzeugte Energie von den Dächern und Fassaden der Logistikhallen sei riesig. Laut Kassner könnten bis zu 20 Prozent der Ausbauziele bis 2030 hierdurch gestemmt werden. Doch die Wärmewende bleibe außen vor, obwohl bundespolitische Ziele vorsehen, bis 2045 klimaneu¬tral zu heizen. Kommunale Wärmeplanungen sollen bis spätestens 2028 die lokalen Potenziale ausloten. Die Nutzung thermischer Abwärme von Rechenzentren bietet sich Kassner zufolge an, bleibt aber häufig mangels Nahwärmenetzen weitgehend ungenutzt. „Dies muss in Zukunft anders gehandhabt werden“, fordert er und ergänzt: „Da die Standorte beider Immobilienarten ähnlich sind, bieten sich Synergien an. Während Logistikimmobilien als Energielieferant fungieren, agiert das Rechenzentrum als Konsument. Gleichzeitig kann die thermische Abwärme wertschöpfend anders genutzt und zur Wärmeerzeugung oder Warmwasserbereitung verwendet werden – für die Logistikimmobilie selbst oder für das Quartier im Umfeld.“
„In der kommunalen Wärmebedarfsplanung werden Energieerzeuger und Energiesenken analysiert und Synergiepotenziale identifiziert“, sagt Peter Pohlschröder, Geschäftsführer der NDC-Garbe Data Centers Europe. Aufgrund ihres Ressourcenbedarfs auf der einen Seite und ihrer Energieerzeugungspotenziale auf der anderen Seite kämen Rechenzentren und Logistikimmobilien besondere Rollen zu, die einen wichtigen Beitrag für die regionale Wärme- und Energiewende leisten können.
Bei der australischen Goodman Group macht die Entwicklung von Rechenzentren weltweit bereits 30 Prozent aller Projekte aus. In Deutschland entstehen derzeit zwei Rechenzentren nahe Frankfurt, eines davon in Mörfelden-Walldorf auf einer 3,5 Hektar großen Brachfläche.
Letztere Entwicklung ruft Meineke auf den Plan: „Auch Brownfields optimal zu nutzen, liegt im kommunalen Interesse.“
Mit einem sogenannten
KOMMUNALEN ENERGIEPARK
könnte so viel nachhaltige Energie produziert werden, dass nicht nur die Logistikansiedlung, sondern auch die umliegende Stadt oder Gemeinde massiv davon profitieren könnte. Dafür müsste allerdings der Netzausbau deutlich vorangetrieben werden, denn derzeit kann lokal erzeugter Strom in vielen Regionen aufgrund fehlender Netzkapazitäten nicht ins Netz eingespeist werden. Zudem gibt es keine einheitlichen Bedingungen für den Netzanschluss. Wenn jedoch die Voraussetzungen stimmen und Industrie und Politik den Schulterschluss suchen, kann die Logistik einen relevanten Beitrag zur Energiewende leisten.