Parkhausbetreiber Apcoa testet, wie Mikrohubs in Parkhäusern in Innenstädten integriert werden können. Foto: Apcoa
Die Umschlagspunkte rücken immer näher an die Städte und den Endkunden heran. Es entstehen Dark Stores – Geschäfte oder Distributionszentren nur für den Onlinehandel –, erste doppelstöckige Logistikgebäude und jede Menge Mikrohubs.
„E‑Commerce bleibt der Treiber, weswegen die Kundennähe und schnellere Lieferketten zunehmend wichtiger werden als niedrige Lagerkosten in der Peripherie“, sagt Uwe Veres-Homm, Geschäftsfeldkoordinator Logistik, Transport & Mobilität der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services. „Der stärkere Wunsch nach schnellen Lieferzeiten pusht auch den Bedarf nach innerstädtischen Logistikflächen.“ Das gilt vor allem für Lebensmittel-Lieferdienste. Auch wenn der Onlinekanal nicht zwingend einen höheren Gesamtumsatz mit Lebensmitteln mit sich bringt, seien die urbane Logistik und das Convenience-Bedürfnis der Verbraucher nach schnellen und kleinteiligen Lieferungen von Gütern des täglichen Bedarfs mittelfristig nicht mehr aufzuhalten.
Eine Möglichkeit, die Anzahl der erfolglosen Zustellvorgänge, unnötige Stopps und zugeparkte Wege durch Kurierfahrzeuge zu minimieren, ist laut Veres-Homm das Bündeln von Sendungen. Anstatt bis zur Haustür zu liefern, könnten KEP-Dienste Pakete und Lieferdienste frische Ware an einem Quartierstandort oder in einem Schließfach hinterlegen. Von dort holt der Kunde die Sendung selbst ab.
Foto: Rytle
Kurze Wege in der Stadt
Auch der Bremer Lastenradanbieter Rytle möchte die innerstädtische Zustellung optimieren. Das Unternehmen agiert etwa 2 Kilometer von der Bremer Innenstadt entfernt, also in den citynahen Quartieren wie der Überseestadt. Gründer Arne Kruse erklärt, dass das Unternehmen auf möglichst günstige Standorte für seine Mikrohubs setzt – beispielsweise auf Hinterhöfe.
Bei Rytles Lösungsansatz handelt es sich um speziell entwickelte 10-Fuß-Container, die mit vorkommissionierten Rollboxen im Paketzentrum beladen werden können und anschließend mit einem Spezialfahrzeug ins jeweilige Zustellgebiet transportiert werden. Von dort werden Pakete per Lastenrad zum Empfänger gebracht.
An anderen Orten Bremens soll die Logistik nicht in den Hinterhof verlagert werden. Dort wird Platz für Logistikdienstleistungen geschaffen. Der Louis-Krages Logistikpark, der gerade im Bremer Industriehafen entsteht, ist nur 10 Minuten von der City entfernt und liegt somit schon fast auf der letzten Meile. Nicht nur Kontraktlogistiker und Großhandel finden hier ihren Platz, sondern laut Stefan Fath, Berater für Industrieimmobilien bei R.C. Spies, auch regionale Mittelständler, die selbst Gewerbe- und Logistikdienstleistungen anbieten und kleinere Mietflächen für Gewerbe‑, Logistik- und Transportdienstleistungen suchen.
„Da Verbraucher immer zügigere Lieferzeiten erwarten, benötigen Unternehmen hochwertige, gut gelegene Flächen in der Nähe der von ihnen bedienten städtischen Gemeinden”, erklärt Emmanuel Van der Stichele, Chief Executive Officer des Investors und langfristigen Eigentümers von Last-Mile-Logistikimmobilien in Europa Mileway. Allein auf dem Brownfield sollen in den kommenden zwei Jahren rund 107.000 Quadratmeter neue Logistikflächen entstehen.
Das kann aber erst der Anfang sein. Denn in einer Zeit, in der auch Mandarinen online bestellt und bis an die Haustür geliefert werden, stößt die Nachfrage auf einen Flächenmangel. Der Immobiliendienstleister CBRE rechnet vor, dass der E‑Commerce bis 2025 zusätzlich mehr als 4 Millionen Quadratmeter Lager- und Logistikflächen in ganz Deutschland benötigen wird. Ein Teil davon sollte nicht weit von den Innenstädten entfernt liegen.
4 Mio.
Quadratmeter mehr Logistik- und Lagerflächen benötigt der Onlinehandel bis 2025.
Quelle: CBRE
Platz besser nutzen
Das Neudenken hin zur letzten Meile erfordert ein hohes Maß an Digitalisierung und intelligente Nutzungskonzepte, um für reibungslose Transportprozesse zu sorgen, fügt Veres-Homm hinzu. Deswegen glaubt er, dass Dark Stores in Zukunft automatisiert sein werden.
Eine Möglichkeit bietet das Nano-Warehouse des Münchener Start-ups Noyes. Anstatt in Regalen sollen Waren in einer Art Automat oder großem Schrank mit Schubladen gelagert werden. Die Kommissionierung erfolgt automatisch und ist somit schneller und langfristig gesehen auch günstiger, als wenn ein Mitarbeiter die Artikel per Hand zusammensucht.
Des Weiteren benötigt das System weniger Platz als Regalreihen. Laut Noyes können mit dem System bis zu 2.000 Lagereinheiten von Warengruppen – sogenannte Stock Keeping Units (SKU) – auf einer Fläche von 30 Quadratmetern und einer Deckenhöhe von nur 2 Metern untergebracht werden. Innerhalb des Systems sind die Artikel sehr eng verstaut. Um daran zu gelangen, lösen Roboter quasi ein riesiges Schiebepuzzle, bei dem immer nur eine Fläche frei ist, um einzelne Kisten und Schubladen so zu bewegen, dass die richtige zugänglich wird. Es soll bereits Verträge mit Express-Lieferdiensten für Lebensmittel geben. Wo und wer, ist noch nicht bekannt.
Ob nun das klassische Mikrohub im Container, Logistikparks in den Innenstädten, Schranksysteme oder eine ganz andere Idee, Onlinehändlern sowie KEP- und Lieferdiensten langfristig helfen, Zustellzeiten zu verringern, wird sich zeigen. Denn Schnelligkeit wird zwar immer wichtiger – aber auch Nachhaltigkeit und Preise sind weiterhin Aspekte, die bei der Gestaltung der letzten Meile berücksichtigt werden müssen. Und um das alles unter einen Hut zu bekommen, gibt es vielleicht nicht den einen Königsweg. Am Ende wird die Lösung vermutlich eine Kombination der bekannten Ansätze sein. Wenn sich denn Platz dafür findet.
Foto: Louis Krages