[Smart City]

Städte planen mit KI

Von Nicole de Jong und Tim-Oliver Frische

Chine­si­sche Forscher entwi­ckeln schnelle Lösungen zur Redu­zie­rung des Indi­vi­du­al­ver­kehrs. Berlin nutzt künst­liche Intel­li­genz in der City­lo­gistik und will Tech­no­lo­gie­haupt­stadt der Welt werden.
Citylogistik
Intel­li­gente Fahr­zeuge: Auto­ma­ti­sierte und vernetzte Pkw wie Trans­porter können dank Kameras, Radar, Lidar und GPS das Umfeld erfassen und mit anderen Fahr­zeugen kommunizieren. 
© ZEKI

Künst­liche Intel­li­genz (KI) hat das Poten­zial, die Stadt­pla­nung auf inno­va­tive Weise zu beein­flussen. Sie ist in der Lage, umfang­reiche Daten­sätze und Algo­rithmen zu nutzen, um städ­ti­sche Entwick­lungen zu berechnen. Eine chine­si­sche Forscher­gruppe hat dafür eine Soft­ware entwi­ckelt, die Flächennutzungs- und Stra­ßen­pläne besser und drei­tau­send Mal schneller ausar­beiten können soll als erfah­rene mensch­liche Stadtplaner.

Das maschi­nell trai­nierte Modell wurde dazu in einer virtu­ellen Stadt und in zwei Stadt­vier­teln in Peking auf seine Fähig­keiten erprobt. Die chine­si­schen Forscher haben zu Demons­tra­ti­ons­zwe­cken eine soge­nannte 15-Minuten-Stadt geplant, also eine Stadt, in der alle Wege des Alltags wie zum Büro, Einkaufen, zur Schule oder Univer­sität, medi­zi­ni­schen Versor­gung oder zur Unter­hal­tung inner­halb von einer Vier­tel­stunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewäl­tigt werden können. Ziel hierbei ist es, den Indi­vi­du­al­ver­kehr zu redu­zieren oder ganz zu vermeiden.

Die Ergeb­nisse hätten gezeigt, dass räum­liche Pläne durch Deep Rein­force­ment Lear­ning (DRL, als Teil­ge­biet maschi­nellen Lernens) reali­sierbar und effektiv seien und sich flexibel an verschie­dene Planungs­kon­zepte und ‑stile anpassen lassen. Aller­dings könne die prak­ti­sche Stadt­pla­nung sehr viel kompli­zierter sein, da sie verschie­denen Zwängen und Regeln unter­liege. So sollten etwa Geschäfte besser in der Nähe von U‑Bahn-Stationen plat­ziert werden, um ihren wirt­schaft­li­chen Nutzen zu maxi­mieren. Die Forscher betonen, dass es nicht darum gehe, mensch­liche Planer zu ersetzen, sondern diese mit der Soft­ware zu unterstützen.

Berlin: Real­labor trai­niert KI

Auch in deut­schen Metro­polen wird KI zur Unter­stüt­zung der Stadt­pla­nung bereits genutzt bezie­hungs­weise dazu geforscht. In Berlin beispiels­weise ist das Zentrum für erleb­bare Künst­liche Intel­li­genz und Digi­ta­li­sie­rung (ZEKI) aktiv. Das ZEKI arbeitet an Lösungen, wie die Fahr­zeuge der Zukunft die Stadt­pla­nung beein­flussen können. Dazu hat es eine digi­ta­li­sierte Test­strecke für intel­li­gente Fahr­zeuge am Ernst-Reuter-Platz im Herzen Berlins einge­richtet. Dieses Real­labor produ­ziert verwert­bare Daten und trai­niert KI-Modelle.

„Die intel­li­genten Fahr­zeuge sind auto­ma­ti­siert und vernetzt sowie mit verschie­denen Sensoren in Form von Kameras, Radar, Lidar (eine Form des drei­di­men­sio­nalen Laser­scan­nings zur opti­schen Abstands- und Geschwin­dig­keits­mes­sung; statt Radio­wellen wie beim Radar werden Laser­strahlen verwendet, Anm. d. Red.) oder GPS ausge­stattet. Damit sind sie in der Lage, das Umfeld zu erfassen und mit der sie umge­benden Infra­struktur sowie anderen Fahr­zeugen zu kommu­ni­zieren“, erläu­tert der ZEKI-Vorstandsvorsitzende Professor Sahin Albayrak. Mit Hilfe der gesam­melten Infor­ma­tionen und Daten kann die Stadt­pla­nung unter­stützt werden. KI könnte beispiels­weise digi­tale Stra­ßen­karten darüber erstellen, wie die Infra­struktur der Zukunft aussieht.

„Es ist aber auch möglich, mit KI das Verkehrs­ge­schehen inner­halb der Stadt zu opti­mieren“, sagt Albayrak. So wurde im Test­labor am Ernst-Reuter-Platz anhand der Daten und mittels KI fest­ge­stellt, dass sich der Verkehrs­fluss um rund ein Drittel verbes­sern ließe. Bezogen auf die City­lo­gistik könnte das bedeuten, die im Stadt­ge­biet einge­setzten unter­schied­li­chen Fahr­zeuge für Waren­lie­fe­rungen zu opti­mieren. Bislang werden zum Beispiel Lebens­mit­tel­ge­schäfte jeden Morgen um 6 Uhr mit einem Lkw belie­fert. Selbst wenn Produkte tags­über ausgehen, gibt es erst am Folgetag Nach­schub. „Man könnte auf die großen Lkw verzichten und dafür klei­nere Fahr­zeuge mit alter­na­tiven Antrieben sozu­sagen von Hub zu Hub einsetzen“, erklärt Albayrak. E‑Transporter fassen zwar nicht so viel Ware. Aber da sie emis­si­ons­frei unter­wegs sind, „könnten sie die Lebens­mit­tel­ein­zel­händler mehr­mals am Tag von einem nahe gele­genen Zwischen­lager aus unter Berück­sich­ti­gung der Verkehrs­si­tua­tion nach dem Pull-Prinzip versorgen“, so der Professor auf DVZ-Nachfrage.

KI im Test: Zum Projekt „BeIn­telli“ gehören auch Liefer­ro­boter. Einer wird hier gerade vom Projekt­leiter Marc Augusto bedient. 
© ZEKI/Mehmet Dedeoglu/Dedepress

KI: Test­pro­jekt „BeIn­telli“

Das ZEKI hat eine circa 20 Kilo­meter lange Strecke inklu­sive der Verkehrs­am­peln digi­ta­li­siert. Im Zuge des Projektes „BeIn­telli“ wird dort mit KI expe­ri­men­tiert. Etwa in intel­li­genten Fahr­zeugen, darunter ein Trans­porter und mehrere kleine Liefer­ro­boter, die aus einem auto­nomen Trans­porter rollen und Paket­sen­dungen an Endkunden oder Waren an Geschäfte liefern. Die Ergeb­nisse aus diesem und anderen Test­pro­jekten stellen die Wissen­schaftler der Stadt zur Verfü­gung. „Wir wollen, dass Berlin zur Tech­no­lo­gie­haupt­stadt der Welt wird.“

Mit Hilfe von KI wollen die Forscher weitere Effekte in der City­lo­gistik erzielen. Bislang würden mit Trans­port­mit­teln entweder Menschen oder Waren beför­dert. „In Zukunft werden beide aber gemeinsam trans­por­tiert“, sagt der ZEKI-Vorstand. Das, was in Entwick­lungs­län­dern üblich sei – dass Perso­nen­taxis immer auch Waren mitnehmen –, werde gerade hier­zu­lande wieder­ent­deckt und sei ein sehr attrak­tiver Ansatz. „Auch sind wir über­zeugt, dass S- oder U‑Bahnen bei der Opti­mie­rung des Waren­trans­ports sehr nütz­lich sein können.“ Vorstellbar sei, im ZEKI mit KI-Modellen zu schie­nen­ge­bun­denen Verkehren zu experimentieren.

München: KI steht noch am Anfang

„Wir nutzen digi­tale Lösungen, die zukünftig mittels KI sicher­lich erwei­tert und opti­miert werden können“, sagt Julia Korsten vom Team Stattbau München, das bei Quar­tiers­ent­wick­lungen und Mobi­li­täts­kon­zepten Bauherren und Kommunen berät. Derzeit werde die Planungs­soft­ware GOAT (Geos­pa­tial Open Access Tool) genutzt. Mit dieser können etwa Gebäude und Wege­netze visua­li­siert und der beste Standort für neue Infra­struk­turen ermit­telt werden. Darauf basie­rend wird ein Mobi­li­täts­kon­zept abge­stimmt. Im Zuge von Szena­rien könnten deren Auswir­kungen auch schon simu­liert werden. „Aber da ist sicher­lich noch viel Musik drin, was KI-basierte Planungen und Umset­zungen in diese Rich­tung angeht“, so Korsten.

Zudem beschäf­tigt sich in der Landes­haupt­stadt seit 2021 ein Kompe­tenz­zen­trum mit den Themen KI und maschi­nelles Lernen; Pilot­pro­jekte sollen bis 2025 umge­setzt werden. Laut Website radar.muenchen.digital liegt der Fort­schritt hier zur Halb­zeit bei (erst) 15 Prozent. Parallel hat die Stadt­ver­wal­tung auch ein Mobi­li­täts­re­ferat gegründet, das „demnächst um zwei Voll­zeit­stellen für den Wirt­schafts­ver­kehr verstärkt wird“, kündigt Silke Buch­berger an, stell­ver­tre­tende Geschäfts­be­reichs­lei­terin Stra­tegie im Referat.