Bei der Lieferung von Waren ist es ein wenig wie beim Reisen mit mehreren Verkehrsmitteln: Während der Großteil der Strecke schnell zurückgelegt wird, dauert das letzte Stück bis zum Zielort am längsten.
Geteilte Wege, gemeinsame Hubs
Das Problem ist in der Branche schon länger bekannt, doch es passiert nur wenig. Theoretisch gäbe es Möglichkeiten und Lösungsansätze, die Auslieferung auf diesem letzten Stück zu verbessern, doch dafür müssten alle Akteure enger zusammenarbeiten.
Zunächst einmal ist es ineffizient, dass zahlreiche Lieferfahrzeuge unterschiedlicher Dienstleister täglich die gleichen Adressen anfahren, wenn diese gemeinsam genutzt werden könnten. Doch nach einheitlichen Lösungen oder Absprachen zwischen Dienstleistern und Kommunen sucht man vergebens. Ladezonen, Mikrohubs oder andere Ansätze werden bereits zahlreich in Zukunftsvisionen diskutiert, doch einen zentralen Ansprechpartner für diese Projekte gibt es nur selten. Jeder kocht sein eigenes Süppchen.
Stattdessen könnten innerstädtische Lager gemeinsam genutzt werden. Lieferfahrer, egal ob mit Lkw, Lastenrad oder E‑Auto, könnten Waren unterschiedlicher Dienstleister gebündelt zum Zielort bringen.
Auch könnten sie Packstationen und Paketshops gleichermaßen bedienen, sollte der Empfänger gerade nicht erreichbar sein – ebenfalls unabhängig vom Dienstleister. Stattdessen besitzen nicht nur Hermes, DHL und Co. jeweils ihren eigenen Fuhrpark, auch DM und Rewe haben inzwischen eigene Services dafür eingerichtet.
Zu den Lieferwagen gesellen sich nun zahlreiche Lastenräder. Die Zahl der eingesetzten Cargobikes reicht von rund 70 bei Hermes über mehr als 100 bei UPS bis zu 28.200 bei DHL und Deutscher Post. Für GLS fahren in Deutschland rund 450 Lastenräder und E‑Transporter. Hermes setzt nach eigenen Angaben derzeit mehr als 360 E‑Transporter ein, was 30 Prozent der eigenen Flotte entspricht. Sie alle argumentieren mit nachhaltigen Versandwegen und Kosteneinsparungen, doch ginge das nicht noch besser?
An einem Strang ziehen
Um Kosten und vor allem signifikant Pakete einzusparen, müssen Händler, KEP-Dienste und auch Endkunden enger zusammenarbeiten. Frust und Kosten auf allen Seiten wachsen vor allem dann, wenn mehrere fehlerhafte Zustellversuche erfolgen.
Die Lösung ist simpel: Endkunden müssen frühzeitig in diesen Prozess mit eingebunden werden. Sie müssen entscheiden können, wann das Paket ausgeliefert werden soll, und einsehen können, wo es sich gerade befindet. So können sie Abstellgenehmigungen erteilen oder eventuell einfach noch fünf Minuten länger zu Hause bleiben, um das Paket entgegenzunehmen. Aber die meisten KEP-Dienste geben das Zustellfenster nach dem Beladen des Lieferfahrzeugs am Morgen des eigentlichen Zustelltages an. Und werden mehrere Bestellungen in der Zustellung zusammengelegt, können zusätzlich Kosten eingespart werden. Technologische Lösungen, die auch einen Live-Support und Tracking einbeziehen, sind bereits vorhanden und müssten nur entsprechend genutzt werden.
Des Weiteren sind es besonders Retouren, die die Kosten in die Höhe schnellen lassen. Ein Service, den zwar viele Kunden erwarten, der aber beim Händler und nicht zuletzt beim Lieferanten für Mehrarbeit sorgt. Hat der Empfänger keinen Anlass, Waren zurückzusenden, könnten Kosten reduziert und gleichzeitig die Zufriedenheit des Kaufprozesses gesteigert werden. Das bedeutet für Händler vor allem, ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden aufzubauen und fortwährend zu pflegen.
Ein essenzielles Stichwort lautet Erwartungsmanagement: Wissen Käufer von vornherein, was sie erwartet, gibt es keinen Grund für eine Rücksendung. Dazu gehören beispielsweise eine wahrheitsgetreue Bebilderung der Ware, korrekte Angabe von Größen und möglichst detaillierte Produktbeschreibungen.
Schnell, schneller, am schnellsten
Für Verärgerung und auch Frust über Paketboten sorgt vor allem der Quick-Commerce, welcher die Auslieferung von Online-Bestellungen innerhalb einer Stunde oder schneller verspricht. Hierbei wird auf sogenannte Dark Stores gesetzt, mobile oder stationäre Sammelpunkte für Waren in Innenstadtlagen oder Wohngebieten, in denen Produkte kurz zwischengelagert und dann auf emissionsarme Fahrzeuge umgeladen werden. Auch beim Quick-Commerce kann, wie beim E‑Commerce, das letzte Stück Weg bis zum Kunden noch optimiert werden, beispielsweise durch eine verbesserte Tourenplanung.
Dadurch könnten auch Emissionen eingespart werden. Dass Nachhaltigkeit den KEP-Diensten wichtig ist, zeigt der vermehrte Einsatz von Lastenfahrrädern und Elektrofahrzeugen. Dies ist aufgrund der kürzeren Strecken und erhöhter Stoppdichte bislang hauptsächlich in Großstädten und nicht in ländlichen Regionen umsetzbar. Und beim Thema Nachhaltigkeit muss nicht nur die letzte Meile neu gedacht werden. Auch die erste und mittlere Meile müssen mittelfristig effizienter gestaltet werden.
Jeroen Gehlen ist Mitgründer der internationalen Online-Transportmanagement-Plattform Wuunder und seit mehr als 20 Jahren im Bereich Versand und Logistik tätig. Für TNT/Fedex entwickelte er als Global Director Pick-up & Delivery Optimization and Innovation beispielsweise ein Framework für eine vollständig digitalisierte Plattform für die Echtzeitkommunikation.