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Das Wachstum geht weiter. Auch wenn der Paketmarkt in den kommenden Monaten nicht so rasant zulegen wird wie in den vergangenen Monaten, stehen KEP-Dienste angesichts der Sendungsmengen vor einer Herausforderung. Wie wird die letzte Meile in Zukunft aussehen? Beispielsweise im Jahr 2050?
„Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unseren jetzigen Projekten nur eine Übergangstechnologie haben“, sagt Rainer Kiehl, Manager für Citylogistik bei UPS. Für das Jahr 2050 könnte er sich eine Zustellung vorstellen, wie man sie heutzutage aus Science-Fiction-Romanen oder Filmen kennt. „Ich glaube nicht, dass dann noch Kfz für die Paketzustellung unterwegs sein werden“, sagt Kiehl. „Man wird andere Wege gefunden haben, beispielsweise über Luft- oder Versorgungsschächte. Da wird das Paket direkt ins Gebäude transportiert. Also ähnlich dem Hyperloop-System, nur kleiner.“
Dass die letzte Meile in knapp 30 Jahren ohne fossile Brennstoffe auskommen sollte – da sind sich die KEP-Dienste einig. Dennoch ist die Konkurrenz mit ihren Zukunftsszenarien etwas zurückhaltender. Laut Gerd Seber, Group Manager Sustainability & City Logistics bei DPD, wird Elektromobilität in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Genauso wie Flexibilität. „Es wird hoffentlich auch innenstadtspezifische Lösungen geben“, sagt er. „Ich denke da beispielsweise an modulare Systeme, mit denen man standardisierte Behälter mit unterschiedlichen Fahrzeugen transportieren kann.“ Feste Anlieferungspunkte werden zudem die Haustürzustellung weitgehend abgelöst haben.
Der Head of Last Mile Development von Hermes, Alexander Reddehase, ist sich sicher, dass das Paketvolumen den Markt in Zukunft verändern wird. „Ich gehe davon aus, dass neue Player auf den Markt kommen werden. Und bei den großen Platzhirschen könnte ich mir vorstellen, dass es bis 2050 zu der ein oder anderen Konsolidierung kommt.“ Welche Unternehmen sich möglicherweise zusammenschließen könnten, will Reddehase aber nicht sagen.
Auch GLS-Deutschland-Chef Karl Pfaff glaubt, dass sich die letzte Meile stark verändern wird. Beispielsweise aufgrund von neuen Technologien wie etwa dem 3‑D-Druck. So könnten Ersatzteile und ganze Warengruppen lokal und on demand hergestellt werden. Auch andere Produkte werden seiner Meinung nach lokal verfügbar sein. Mit dem Einsatz von großen Zwischenlagern könnten diese sofort oder am nächsten Tag geliefert werden. Ein Konzept, wie Amazon es vielerorts schon heute umsetzt.
Dass Zustellroboter eines Tages Menschen ersetzen, sieht Pfaff nicht. „Ich glaube, wir neigen dazu, hier manchmal die Komplexität zu unterschätzen“, so der GLS-Deutschland-Chef. Stufen vor der Haustür oder unterschiedliche Brief- und Paketkästen seien für Menschen kein Problem, für einen Roboter aber schon. Dennoch kann Pfaff sich vorstellen, dass immer mehr, etwa autonom fahrende Maschinen den Menschen auch bei der Zustellung unter die Arme greifen werden.
Unterstützung von der Stadt
Doch noch mehr als die Zukunft der letzten Meile beschäftigt KEP-Dienstleister die Gegenwart der Zustellung. Denn es gilt Lösungen für die Probleme von heute zu implementieren, um auch in den kommenden Jahren die Leistungen aufrechtzuerhalten.
Für Seber ist eine der größten Hürden für Paketdienste „die zunehmende Regulierung, insbesondere in den Innenstädten. Also nicht nur rund um Umweltzonen und Vorgaben der Antriebstechnik, sondern auch die zunehmende Zahl der Gebiete, zu denen wir nur noch zu bestimmten Zeiten fahren dürfen und unter besonderen Auflagen“. Es gebe Gebiete in Innenstädten, in denen sich Paketzusteller kaum noch „regelkonform“ verhalten könnten, etwa beim Parken. „Es gibt tatsächlich Straßen, da gibt es nur eine verbleibende Fahrspur, und da fährt im schlimmsten Fall noch ein Bus“, so Seber. Wenn ein Fahrer also in einer Einbahnstraße halten muss, blockiert er oft den gesamten Verkehr.
Dem kann Rainer Kiehl, Manager für Citylogistik bei UPS, nur zustimmen. „Ein Großteil der Arbeitszeit mit dem Lkw wird mit Parkplatzsuche ausgefüllt“, sagt er und fügt hinzu: „Der LKW ist bei den Sendungsmengen für die Innenstadt unverzichtbar.“
Foto: iStock
So herausfordernd die Corona-Pandemie und das rasante Wachstum des Onlinehandels sind – laut Kiehl hat es die Debatte rund um die letzte Meile neu befeuert. „Citylogistik und Onlinehandel waren vor Corona Alltag, ohne große Bewegung. Alle Themen hatte man schon zigmal besprochen. Aber jetzt, mit der rasanten Entwicklung, da sind Diskussionen neu entfacht“, so der Logistiker. Angesichts des Paketbooms der vergangenen Monate sei sich nun aber jeder „darüber im Klaren, dass wir neue Lösungen brauchen“.
Doch auch er sieht ein wesentliches Problem der Zustellung auf der letzten Meile darin, dass es keine einheitlichen Lösungen oder Absprachen zwischen Dienstleistern und Kommunen gibt. Ladezone, Mikrohubs oder andere Ansätze gäbe es fast überall. Aber einen zentralen Ansprechpartner für diese Projekte gäbe es nur selten.
„Wir haben viele Köche am Herd, aber keinen Chefkoch in der Stadt“, sagt Kiehl. „Wir [die KEP-Unternehmen] brauchen eine Schnittstelle zu den Unternehmen und zur Verwaltung. […] Wenn es in der Position jemanden gibt, der sich mit der Materie auskennt und vielleicht sogar aus der Logistik kommt, gleichzeitig aber eine gute Vernetzung in der Stadt hat, dann werden einige Dinge schneller umgesetzt“, meint er.
Seber sieht das ähnlich. Flächen für Innenstadtlogistik seien schwer zu finden und oft zu teuer. „Der Wunsch wäre, dass diese Flächen bei einem Entwicklungsplan von Quartieren und Stadtteilen berücksichtigt werden“, sagt er. Immerhin sollen KEP-Dienste Waren ja auch in diesen Gebieten zustellen.
Zustellung mit grünem Daumen
Nachhaltigkeit auf der letzten Meile wird für KEP-Dienste sowie Kommunen immer wichtiger. „Ich glaube, dass wir uns auch in Zukunft noch mehr mit der Frage der CO2-Neutralität und klimaneutralem Versand beschäftigen müssen und dass es auch stärker nachgefragt werden wird“, sagt Reddehase von Hermes.
Seine Wettbewerber sehen das genauso. Laut Thomas Schneider, Betriebschef im Unternehmensbereich Post & Paket Deutschland der Deutsche Post DHL, ist die Umsetzung nicht trivial. „Was insgesamt an Investitionen in die Nachhaltigkeit erforderlich ist, ist erheblich. Viele Unternehmen in unserer Branche können noch gar nicht richtig abschätzen, welcher finanzielle Aufwand betrieben werden muss, um die Logistik CO2-frei zu gestalten“, so Schneider. DHL selber wolle in diesem Jahr beispielsweise 4.000 rein elektrische Streetscooter in die Zustellflotte integrieren.
Doch auch weniger offensichtliche Maßnahmen können zu einer grüneren Paketzustellung beitragen. Wie etwa das Live-Tracking, mit dem die Erstzustellquote erhöht wird. „Der Empfänger sieht, wann das Paket ungefähr zugestellt wird. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Zusteller den Kunden auch zu Hause antrifft“, erklärt der DHL-Betriebschef. „Alternativ hat der Kunde die Möglichkeit, seine Sendung noch kurzfristig umzurouten und zum Beispiel einen Ablageort für das Paket zu bestimmen.“
Ab aufs Rad
„Der Transporter oder in Zukunft vielleicht der E‑Transporter wird noch lange das produktivste Zustellmittel der Wahl sein. Länger, als wir jetzt vielleicht denken“, sagt Pfaff. Und die Politik sowie Kunden sollten nicht aus den Augen verlieren, dass Paketdienste nur zwischen 5 und 7 Prozent des Wirtschaftsverkehrs ausmachten. Zudem „muss man sich bewusst machen, wie viel Pkw-Verkehr ein Zustellfahrzeug, das mit 180 bis 200 Paketen beladen ist, ersetzen kann“, so Pfaff.
Auch das Lastenfahrrad spielt eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung auf der letzten Meile. Doch auch hier gibt es Grenzen. Denn diese Form der Zustellung kann nur gelingen, wenn es genügend dezentrale Umschlagspunkte in den Innenstädten gibt. Aber Flächen für sogenannte Mikrodepots sind rar und sehr teuer, wie die Vertreter von DPD und UPS berichten.
Hinzu kommt, dass die Lastenräder, die es zurzeit auf dem Markt gibt, nicht für alle möglichen Einsatzbereiche ausgelegt sind. Denn laut dem UPS-Manager bieten alle Hersteller mehr oder weniger das gleiche Set-up an. „Es gibt inzwischen eine Reihe von Anbietern von Lastenfahrrädern oder Lastenanhängern, aber die Entwicklung verharrt [bei der Größe der Box] auf einem Punkt“, sagt Kiehl. „In der Regel sprechen wir über eine Box mit maximal 2 Kubikmeter Ladevolumen.“
Was ist die größte Herausforderung auf der letzten Meile Stand heute?
DHL
Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema, das KEP-Dienste und die letzte Meile in Zukunft prägen wird. Der Investitionsbedarf stellt viel Unternehmen vor eine Herausforderung.
DPD
Regulierungen in den Innenstädten, etwa um den Verkehr und damit auch den CO2-Ausstoß zu verringern, bedeuten für Paketdienste oftmals noch weniger Haltemöglichkeiten, um ihre Arbeit zu erledigen. Es gibt Gebiete, in denen könne sich ein Zusteller kaum noch „regelkonform“ verhalten.
GLS
Ein B2B-Kunde ist meist zu festen Zeiten im Büro oder Laden anzutreffen. Die Zustellung an Privatkunden ist hingegen eine Herausforderung, weswegen vermehrt auf Lieferung an Paket-Locker und ‑Shops gesetzt werden sollte.
Hermes
Das wachsende Paketvolumen, getrieben durch die Corona-Pandemie und den wachsenden Onlinehandel, kann für KEP-Dienste zum Problem werden. Zwar profitieren sie von den steigenden Mengen, doch es braucht Fahrer und anderes Personal, um die Pakete zum Endkunden zu bringen.
UPS
Das Equipment, das KEP-Diensten am Markt zur Verfügung steht, ist zu homogen. Beispielsweise bei Lastenrädern für die Innenstadtbelieferung. Zudem sind die Anschaffung und Wartung kostenintensiv. Auch der damit einhergehende Betrieb von Mikrodepots ist oftmals sehr teuer.
Kooperation oder Konkurrenz
Ein weiterer Baustein der grünen Lieferkette ist die Zustellung an Paketshops oder Locker. Mit den zunehmenden Sendungsmengen wächst auch die Stoppdichte, erklärt Reddehase. Wenn Pakete nicht an die Haustür, sondern an Sammelpunkte zugestellt werden, erhöht das die Erstzustellquote und verringert die Anzahl der Stopps. Sich Standort und Infrastruktur zu teilen, ist für die meisten KEP-Dienste allerdings keine Lösung.
„Wir haben mehr als 2.600 Standorte, sogenannte Zustellstützpunkte, für die Brief- und Verbundzustellung in Deutschland und dann noch mal circa 250 Standorte nur für Pakete“, sagt Schneider von DHL. „Ich glaube nicht daran, dass es gelingen wird, eine größere Kooperationsform mit anderen Anbietern hinzubekommen. Das wäre viel zu komplex und würde in der Sache auch nicht viel bewirken.“
Seber glaubt zwar ebenfalls nicht an White-Label-Lösungen am Markt, könnte sich aber andere Formen der Zusammenarbeit und Ressourcenteilung vorstellen. Beispielsweise könnten sich Unternehmen Standorte teilen, wenn sie diese zu unterschiedlichen Tageszeiten benötigen.
„Es gibt vielleicht den reinen B2C-Lieferdienst, der ist eher am Nachmittag unterwegs, während der B2B-Lieferdienst eher vormittags ausliefert“, erklärt der DPD-Manager. „Und dann gibt es noch Dienste, die nur in der Nacht unterwegs sind. Auch das ist durchaus ein Bereich, bei dem ich hohes Potenzial sehe.“
Nur der Deutschland-Chef von GLS scheint der Idee von gemeinsamen Lösungen offener gegenüberzustehen. „Aus meiner Sicht braucht es White-Label-Ansätze bei Paket-Lockern, damit das System funktioniert. Denn wenn in einer großen Wohngegend fünf, sechs verschiedenfarbige Locker-Systeme nebeneinander stehen, dann ist das nicht gerade effizient“, sagt Pfaff.
Dass diese Art der Zusammenarbeit (noch) nicht funktioniert, sieht man am Beispiel Parcellock. Dem Joint Venture von DPD und Hermes (und zu Anfang auch GLS) wurde vor ein paar Wochen der Stecker gezogen, mit der Begründung, dass Ausbauziele nicht erreicht wurden. Darauf angesprochen fügt Pfaff hinzu: „Ich denke bei White Label noch einen Schritt weiter. Nämlich dass diese Unternehmen unabhängig von den Paketdienstleistern sind und den Markt deshalb anders aufrollen als wir.“
Wie sieht die Innenstadtbelieferung im Jahr 2050 aus?
DHL
Der Marktführer sieht sich gut aufgestellt. Themen, die jetzt aktuell sind, werden es auch in den kommenden Jahren sein, wie etwa die Zustellung an Paketstationen. Was 2050 sein wird, das wagt der Paketriese in einer digitalen Welt aber nicht vorherzusagen.
DPD
Weg vom Verbrenner, heißt es auch in Aschaffenburg. Bodengebundene Drohnen kann sich der KEP-Dienst vorstellen – fliegende eher nicht. Zudem werde mehr an feste Anlieferungspunkte wie Paketshops und weniger an die Haustür zugestellt werden.
GLS
Der 3‑D-Druck wird die physische Distanz zwischen Herstellungsort und Endkunden verkürzen und somit die Aufgaben der KEP-Dienste verändern. Zudem wird es mehr Verteilzentren für einzelne Regionen geben, damit die Ware schnell beim Kunden sein könne.
Hermes
Es wird neue Dienstleister am Markt geben, die sich auf die Zustellung auf der letzten Meile spezialisiert haben. Da die großen KEP-Dienste alle ein ähnliches Spektrum an Leistungen abdecken, könnte es zu Konsolidierungen kommen.
UPS
Alles, was jetzt auf der letzten Meile erprobt und auch umgesetzt wird, sind nur „Übergangstechnologien“. Stattdessen könnten Endkunden ihre Bestellung in der Zukunft über Versorgungsschächte erhalten.